Es geht nach Hause!

Hallo ihr Lieben,

ich muss jetzt einmal die Chronologie unterbrechen. Das liegt vor allem daran, dass ich trotz in den letzten Wochen mangelnder Pflege den Anspruch der Aktualität meines Blog habe.

Und zwar schreibe ich gerade vom Flughafen in Sydney. Der Gedanke an die folgenden 40 Stunden lässt meine Po Knochen schon vor Entgeisterung aufschreien. Es geht für mich nämlich nicht irgendwo hin, sondern nach Hause.img_20160423_153339.jpg

Diese Entscheidung mag etwas plötzlich aussehen. Ist sie auch und vor allem durch einen Mangel an anständigen Alternativen entstanden. Und zwar bin ich jetzt seit vier Monaten fast ununterbrochen nur unterwegs. Ich bin nie mehr als ein paar Tage an einem Ort. Es vergeht keine Woche, in der ich nicht an mindestens drei unterschiedlichen Orten schlafe. Jeden Tag sehe ich Neues. Jeden Tag sehe ich unbeschreiblich schönes Neues (naja, manchmal auch nicht. Aber meistens). Und so blöd das für die Meisten von euch vielleicht klingen mag, es ist unheimlich anstrengend.

Ich bin müde vom Reisen. Ich kann die ganzen wahnsinnig tollen Eindrücke nicht mehr verarbeiten. Dafür fehlt mir die nötige Ruhe und Zeit sich zurück zu ziehen. So kommt es, dass ich teilweise an Orten stehe, und ihre Schönheit und Außergewöhnlichkeit gar nicht mehr richtig zu schätzen weiß. Wahrscheinlich werde ich erst später den wahren Wert meiner Reise feststellen.

Ich brauche also nichts mehr, als etwas Ruhe und wieder ein Stück weit ein Zuhause. Der originale Plan war eigentlich, nach Neuseeland nach Australien zurück zu gehen. Ich wollte auf einer Farm im Outback, weil es mich so fasziniert hat, meine Farmwork machen. Ihr wisst schon, die drei monatige Arbeit, mit der man die Möglichkeit schafft, noch einmal später für eine Zeit nach Australien zu kommen und zu Arbeiten. Richtig, die Farmwork, über die ich mich immer so lustig gemacht habe. Dies hätte mir für drei Monate ein Zuhause gegeben. Und die Möglichkeit, nach meinem Studium noch mal herzukommen. Ich muss sagen, dass es mich gepackt hat.

Wie sich Dinge drehen können. In den letzten vier Wochen, in denen ich in Australien war, habe ich eine schöne 180° Wende hingelegt, bzw diese bemerkt. Ich bin noch nicht bereit nach Hause zu gehen. Ich bin noch nicht fertig mit Australien. Soweit der Plan.

Meine Eltern haben dann etwas am Rad gedreht. ‚Kind, du musst was lernen!‘, ‚Das Leben besteht nicht nur aus Spaß und Reisen!‘. Hust. Hust. In meiner Zeit im Ausland habe ich 1. Mehr über mich gelernt, als in Deutschland zusammen 2. Nicht nur über mich gelernt, sondern auch fürs Leben und 3. Wohl so viel und hart gearbeitet, wie es wahrscheinlich erst ein Bruchteil in meinem Alter je gemacht hat. Trotzdem kann ich meine Eltern da ein wenig verstehen. Aus dem guten Kind soll ja mal was werden.

Um Sie zu beruhigen habe ich mal etwas herumgegoogelt. Was mich interessiert, wo ich das Studieren kann. Was ich dafür brauche. Mit Schrecken habe ich dann festgestellt, dass ich für den Großteil meiner in Frage kommenden Studiengänge ein Vorpraktikum von 9 bis 13 Wochen brauche, dass bei Einschreibung nachgewiesen werden muss. So fern ich an einer Universität, und keiner Fachhochschule studieren möchte (was für mich irgendwie nie zur Debatte stand). In gewohnter Backpackermanier habe ich dann mal nachgeschaut, ob es auch Ausnahmen gibt. Denn sich geschickt um Dinge herum zu mogeln lernt man hier auch. Wirklich erfolgreich war ich nicht. Man kommt ohne Praktikum rein, wenn man bis August bei der Bundeswehr ist. Eher nicht. Wenn man ein Attest über den Praktikumszeitraum hat. Leider auch nicht, so krank kann ich mich nicht anstellen. Vor allem nicht, wenn ich gar nicht da bin. Nummer drei wäre, wenn ich drei schriftliche Praktikumsabsagen vorweisen kann. Da hat mich ja mein sportlicher Ehrgeiz gepackt. Das sollte eigentlich möglich sein. Problem ist dann nur, dass ich das Praktikum bis zum Abschluss des zweiten Semesters nachweisen müsste. Und das ist bei 13 Wochen schon irgendwie stressig. Hilft also alles nichts.

Weiter Reisen fällt raus. Längere Zeit noch mal in Australien bleiben fällt auch raus. Das braucht ja alles etwas Vorlauf. Und so kam es, dass ich vor gut einer Woche die Entscheidung gefasst habe, nach Hause zu kommen. Wenn auch unter großem Selbstprotest (der arme Julian, der diesen Prozess mit mir durchgemacht hat).

Wie gesagt, ich bin noch nicht so weit, nach Hause zu kommen. Es ist auch nicht so, als würde ich es nicht vermissen. Ich habe aber mit meiner Reise noch nicht abgeschlossen. Ich bin noch nicht bereit, nach Hause zu gehen. Ich frag mich etwas, was ich da soll. Und jetzt hieß es also ziemlich plötzlich, es geht nach Hause. Ihr merkt, die Notwendigkeit ist in meinem Herzen noch nicht angekommen. Ich hatte jetzt also eine Woche, meinen Zustand von totaler Ablehnung zu einem Zustand der zumindest Abfindung und Akzeptanz der Tatsachen zu bewegen. Kein leichtes Unterfangen.

Zuhause. Was ist das eigentlich? Ich bin mehr, als nur in Deutschland zuhause. Auf meiner Reise habe ich so viele Orte gehabt, an denen ich mich wohl gefühlt habe. Die für mich ein normales Umfeld waren, mit Höhen und Tiefen, was ein Zuhause halt so an sich hat. Mit Menschen, die mir nah standen. Orte, an denen ich das Gefühl hatte, richtig zu sein. Deshalb fällt es mir etwas schwer, über Zuhause zu sprechen und damit nur meinen elterlichen Wohnsitz und den Ort, an dem ich den Großteil meines Lebens verbracht habe, zu beschreiben. Ich werde also jetzt nicht mehr von Zuhause sprechen, sondern die irgendwie in meinem Sinne adäquat umschreiben.

So und hier seht ihr, was passiert, wenn man einmal anfängt, über längere Zeit zu Reisen. Man wird ziemlich verwirrt und weiß nicht mehr, wo man hingehört. Die Welt scheint keinen guten Einfluss auf mich gehabt zu haben. Ich gebe euch einen gut gemeinten, von Herzen kommenden Tipp. Fangt mit dem Unsinn einfach gar nicht erst an. Dann habt ihr solche Probleme gar nicht.

Die Woche ist schneller umgegangen, als ich gucken konnte. Es stellt sich ja auch die Frage, warum ich hier dran so hänge. Und das ist eine gute Frage, die ich mir noch nicht beantworten konnte. Ich denke, es ist einfach dieses ungeheure Maß an Freiheit und Selbstbestimmung. Ein Umfeld, in dem alles möglich ist. Und auch ein Umfeld, in dem man auf viele Gleichgesinnte trifft. Ohne irgendwelche Verpflichtungen und Erwartungen. Und das hat eine gewisse Faszination und einen gewissen Reiz auf mich. Und wird es wahrscheinlich auch nicht verlieren. Wie ihr vielleicht hört, ich bin immer noch nicht wirklich startklar. In den letzten Tagen saß ich oft an Plätzen, habe mein Umfeld beobachtet und gefragt, was ich da eigentlich angestellt habe, so einen Flug zu buchen. Ich war dann erstaunlich leer und traurig.

Um dem entgegen zu wirken, habe ich eine Liste angefangen. Oder mehrere Listen. Was ich alles machen möchte, wenn ich nach Deutschland komme. Von Gitarre lernen, über sämtliche Leute besuchen, bis hin zu meine Sachen auf dem Flohmarkt verkaufen. Außerdem eine Liste mit Sachen, auf die ich mich freue. Die Erdbeersaison, Rhababer, ein eigenes Bett, eine anständige Küche (ich weiß nicht, wann ich das letzte Mal einen Ofen hatte), flauschige Handtücher (die Reisehandtücher sind zwar praktisch, aber auch herrlich unbequem. Sie haben mir am besten gefallen, wenn ich sie nicht benutzt habe), unseren Hund, Sachen in den Kühlschrank zu stellen, ohne, dass sie geklaut werden, mal wieder richtig ekelhaftes Wetter, Fahrrad fahren. Wie fühlt es sich eigentlich an, alleine in einem Zimmer zu schlafen? Was macht man, wenn man täglich und unbegrenzt den Zugang zu einer warmen Dusche hat? Wie fühlt es sich an, anständig gewaschene Wäsche zu tragen? Was kocht man, wenn man Zugang zu vier funktionierenden Herdplatten, sowie sämtlichen Pfannen, Töpfen und Zutaten hat? Man organisiert sich halt, wenn man unterwegs ist und gewöhnt sich auch an vieles. Je länger ich nachgedacht habe, desto mehr habe ich auch gefunden, auf das ich mich freuen kann. Diese Liste habe ich dann weiter geführt, wenn es wieder schlimmer wurde.

Jetzt sitze ich also bereits in Sydney. Und je länger ich unterwegs bin, desto weniger weiß ich, wohin ich Reise. Was mich am Ziel erwartet und was ich vom Ziel erwarten kann. Wie es sich anfühlt, Zeit am Ziel zu verbringen. Und das, obwohl ich an doch eigentlich so vertrauten Ort gelange. Das Leben ist halt eine ewige Reise. Man weiß nie, was einen erwartet. Egal, wo man hinkommt. Meine Reise ist lange nicht zu Ende.

PS Natürlich freue ich mich, alle wieder zu sehen.


Hinterlasse einen Kommentar